vishia-vita: Gnosis - Erkenntnis für Auserwählte ?


Gnosis - Erkenntnis für Auserwählte ?

In den früheren Zeiten war es üblich, Wissen nur eingeweihten Personen weiterzugeben, daher oft auch nur mündlich. Vielleicht war es damals nicht anders möglich - und auch notwendig, Erkenntnisse zu hüten.

Die Frage nach "Auserwählung" stellt sich durchaus auch aus aktueller Sicht in einem ganz anderem Kontext. Ich meine nicht das Gebahren von Sekten, bei denen es oft auch um Auserwählte und weniger Auserwählte geht, möglicherweise abhängig von deren Zahlung von Finanzmitteln. Nein, es geht darum, wer die Welt technisch beherrscht. Bei Konsumgütern und Computersoftware geht es in erster Linie um einfache Bedienung. Was im Inneren abläuft, muss den Nutzer nicht interessieren. Üblich ist es, darzustellen, dass das alles automatisch, hochkomplex ist. In Sincefictionliteratur wird manchmal eine Welt dargestellt, in der die Experten die Macht haben und alle anderen Menschen zu Sklaven ihrer Technik geworden sind.

In der Softwarebranche sind zwei Tendenzen feststellbar. Die zweite Tendenz ist die der Open Source Community. Der Open-Source-Gedanke geht davon aus, dass gute Software von einer breiten Basis getragen wird, dass das Geld nicht mit den Quellcodes selbst, deren Geheimhaltung und dem Verkauf der fertigen Softwareprodukte verdient wird, sondern mit Dienstleistung. Dem Kunden wird ein gut lauffähiges Produkt durch Arbeitseinsatz gewährleistet. Der Kunde kann jederzeit, wenn er will, die Quellcodes einsehen und die Software selbst pflegen. Meistens wird es aber für ihn kostengünstiger sein, diese Dienstleistung von demjenigen einzukaufen, der diese Leistung effektiver vollbringt. Jemand, der Open Source für eigene Zwecke nutzt und weiterentwickelt, ist verpflichtet, dessen Arbeit der Open-Source-Gemeinde wieder zur Verfügung zu stellen, beispielsweise nach der GNU-Lizenz. Private Nutzer können die Software entweder kostenlos nutzen, oder von einem Distributer in angepasster Art kostengünstig beziehen, beispielsweise Suse-Linux. Weltweit führende Firmen wie Sun und IBM haben sich dieser Denkweise geöffnet. Der Open-Source-Gedanke ist philosophisch tragend, als Gegenstück zur Verbergung von Wissen darüber, wie etwas zusammenspielt, verbunden mit Macht und Geld.

Jeder, die notwendige Zeit, das technische Verständnis und die Muse vorausgesetzt, kann erfahren, wie etwas technisch funktioniert und selbst einen eigenen Beitrag leisten. Das heißt nicht, dass es notwendig ist, sich damit abzugeben. Für den Alltag gilt: Einschalten und Benutzen. Aber die Möglichkeit ist immer gegeben. Das heißt, nicht begrenzt auf Auserwählte.

In einem anthroposophisch orientierten Buch "Die Erwartung der Engel" von Wolf-Ulrich Klünker, ISBN 3-7725-1143-0 kann man auf S. 85 lesen: „Durch die menschliche und kosmische Entwicklung, in der sich auch die Beziehung des Engels zum Menschen verändert hat, ist das alte Einweihungsprinzip zum Lebensprinzip geworden. Diese Entwicklung ist noch nicht in jeder Biographie greifbar, sie kündigt sich aber individuell wie kulturell bereits in größerem Ausmaß an.“

Im Klartext: Früher gab es die klare Tendenz, Wissen nur an Auserwählte weiterzugeben. Heute dagegen kann jeder davon partizipieren oder veröffentlichen. Nimmt jeder dieses Wissen an und trägt es wirklich weiter?

Ist in der Gnosis wichtiges verborgenes Wissen zu erwarten ?

Bezogen auf die manichäische Gnosis: Eher nicht. Es ist eine alte philosophische Strömung - der ideale Gott. Jesus wird hier überhöht, ich meine sagen zu dürfen, die Jesusgestalt wird geklaut und eigenen Vorstellungen unterworfen. Die Systementwürfe dieser Gnosis sind durchaus im Kontext der Philosophie der damaligen Zeit nachvollziehbar. In dieser Gnosis wird Jesus Christus stark überhöht, als Künder eines unbekannten noch höheren Gottes, der Mensch Jesus, dessen Wirken auf Erden, spielt kaum eine Rolle. Das entspricht durchaus auch den Darstellungen in der heutigen Kirche und ist uns nicht unbekannt.

Anders ist es mit dem, was noch unbekannt ist. Was ist wirklich geschehen, gewusst, aufgeschrieben oder eben nicht aufgeschrieben und unterdrückt in der ersten Jahrhunderten nach Christus - und danach. Das bleibt eine spannende Frage, die unser Zeitalter aufgegriffen hat.

Es ist interessant zu erfahren, was in den ersten Jahrhunderten des frühen Christentums gedacht und geschrieben wurde. Wichtig insbesondere auch deshalb, weil die Kirche nicht immer eine positive Rolle gespielt hat (Kreuzzüge, Inquisition), bis in die Neuzeit hinein. Die Entwicklung insbesondere am Anfang kann Aufschlüsse geben. Dank sei den Funden von Nag Hammadi und Qumran, Dank sein Denjenigen, die die Schriften aufbereiteten und mit ihrem Wissen analysierten. Möglich ist, dass zusammengefasst im Begriff "Gnosis" ein verschollenes geheimes für unsere Zeit wichtiges Wissen liegt.

Die Frage nach dem Bösen im Menschen und dessen Verhältnis zu Gott beantwortete Paulus in seinen Römerbriefen (Röm4 und 5), nachlesbar in jeder Bibel seit knapp 2000 Jahren, aber erst Martin Luther wies vor etwa 500 Jahren mit seiner Rechtfertigungslehre (=>Wikipedia) deutlich darauf hin, nachdem die Kirche zuvor vorwiegend zu Buße, Beichte und Ablass gerufen hatte. Diese Rechtfertigungslehre ist erst im Jahre 1999 (!) von der Katholischen Kirche anerkannt worden (Ökumenische Vereinbarung über die Rechtfertigungslehre, unterzeichnet am 31. Oktober 1999 in Augsburg). Wir sind also mitten drin in der Auseinandersetzung dessen, was Jesus Christus gebracht hat, seit 2000 Jahren.

Was ist die Stellung des Menschen gegenüber Gott? Die manichäische Gnosis gibt eine negative Antwort, unvollkommene Schöpfung. Nur Auserwählte können Gott erreichen. In der heutigen Kirche ist oft die Rede von Sünde, viele Christen begreifen sich als erbarmungswürdige Kreatur, Gott hat erbarmen.

Paulus begründet jedoch eine Annahme (nicht Erbarmen) des Menschen von Gott. In dem Buch "Christentum und Weltreligion - Hinduismus" von Hans Küng und Heinrich von Stietencron (ISBN 3-492-12055-5) bezeichnet der christliche Theologe Hans Küng in einer Auseinandersetzung mit dem Thema "Schöpfung - Spiel Gottes" den Menschen in Abgrenzung an andere verbreitete Aussagen nicht als "Spielzeug Gottes" sondern als "Gottes freier Spielpartner" (ebenda S. 121) und hebt ihn damit in dieser Beziehung auf das Niveau von Gott. Die guten Kräfte im Menschen sind auf Gott gerichtet, nicht alle Kräfte im Menschen. Diesbezüglich sei auch das oben erwähnte Büchlein "Die Erwartung der Engel" nochmals erwähnt. Das Grundthema dort ist: Den Menschen sind in der geistigen Welt die Engel zugeordnet. Beide hängen voneinander ab. Das Stellen und eine Beantwortung dieser Fragen ist eher unserer Zeit vorbehalten - der neuen Gnosis.

www.vishia.de/Leben/GnosisFuerAuserwaehlte.html, 2007-04-11 ****