Als Jesus an das Kreuz genagelt wurde, war zwar viel Volk unterwegs, aber die meisten interessierten sich doch nur für das Spektakel und waren diejenigen, die geschrieen hatten "kreuzige, kreuzige!". Nur eine kleine Schar von Jüngern stand nahe bei. Die Jünger gingen danach in die Welt und berichteten vom Wunder Jesus Christus, fanden auch bereitwillige Zuhörer. Doch die ersten christlichen Gemeinden waren verfolgt, nicht anerkannt.
Daher ist es ein Wunder, dass das Christentum Fuß fassen konnte in dem neu entstehenden Europa. Die Erklärung kann nicht sein, dass die Lehre von Jesus Christus als besser und richtig erkannt wurde. Der Kern von Jesus' Aussagen: "Liebe deinen Nächsten, selbst wenn es dein Feind ist", hat im Mittelalter wohl kaum eine entscheidende Rolle gespielt. Die Erklärung kann nur sein, dass die maßgebenden Persönlichkeiten von dem gleichen Geist inspiriert wurden, der in Jesus wirkte. Kaiser Konstantin (285-337, Gedenktag 21. Mai) war derjenige, der das Christentum für sich anerkannte und zur Staatsreligion erhob. Das geschah sicherlich nach persönlichen Erfahrungen. Berichtet wird über eine Schlacht im Jahre 312, die Konstantin gewann, nachdem er sich von der Obhut der römischen Gottheiten gelöst hatte aufgrund eines wiederholten Traums, in dem er das Christus-Monogramm mit den Worten in hoc signo vinces, in diesem Zeichen wirst du siegen gesehen haben soll.
Das Mittelalter war reich an Geschehnissen, Völkerwanderungen, neue Länder bildeten sich, Kulturen begegneten sich, Europa bildete sich in der Form heraus, in der wir jetzt leben. Dennoch erschien es aus Sicht der Renaissance als wenig bedeutende Zeit. Der Begriff 'Mittelalter' wurde in der Renaissance geprägt als Zeit zwischen der Blüte der griechischen Kultur und deren Wiederentdeckung. Sicherlich gab es im Mittelalter andere Schwerpunkte als Philosophie und Demokratie. Die Römer verstanden zwar viel von Baukunst, interessierten sich aber eher mäßig für die Lebensweisheit und die geistigen Tiefen der Mathematik. Römische Zahlen sind eher geeignet zum Abzählen von Hundertschaften als zur Ermittlung einer euklidischen Zahl oder des Quadrats der Seiten über dem Dreieck. In diesem Sinne muss man die Annahme des Christentums eher als Bewahrung eines selbst nicht verstandenen Gutes ansehen als dessen tiefsinniges Verstehen und Weiterentwickeln. Daher ist im Mittelalter auch ganz stark vom Glauben geprägt, Hinnahme dessen als richtig, was geschrieben steht.
Zwei bedeutende Theologen und Philosophen seien zu nennen, einer am Anfang des Mittelalters, und einer, der dessen Ende einläutete. Am Anfang stand Augustinus, 354-430. Er versuchte, die Lehre Platons von der Geistigen Welt mit der Lehre der Bibel in Einklang zu bringen. Daher ist uns heute noch überkommen, dass wir Gott im Himmel suchen, fern von der erbärmlichen ("zum Erbarmen") irdischen Welt, und wir hier unten uns als elende Sünder fühlen sollen. Platon war Dualist, er sah eine strikte Trennung der geistigen Welt und deren mattem Abbild, der physischen Welt. Rudolf Steiner widmet in seiner Philosophie der Freiheit ein ganzes Kapitel der Gegenüberstellung von Dualismus und Monismus, und betont seinerseits den Monismus.
Der Andere, am Ende des Mittelalters, war Thomas von Aquin, 1225-1274. Er widmete seine Aufmerksamkeit dem Nachfolger und Gegenspieler Platons, dem Aristoteles. Thomas von Aquin schärfte aber damit den Blick für die Wissenschaftlichkeit, und den Quellen des Wissens im alten Griechentum überhaupt. Damit brach er Strukturen auf, was letztlich zur Renaissance führte.
Mindestens erwähnenswert ist auf jeden Fall noch Hildegard von Bingen, 1098-1179, die große Frau des Mittelalters.
**** Vishia.de/Leben/BisMittelalter.html 23.12.2005