Semitische und Indogermanische Kultur


Der semitische Kulturkreis bestand unabhängig vom Indogermanischen lange Zeit parallel. Seine Wurzeln hat er im Süden der Arabischen Halbinsel. Semiten, so auch das Volk Israel, waren wandernte Völker. Frühzeitig verbreitete sich die Lehre von dem einen Gott, dessen Name nicht genannt werden darf (Jahve = „Er ist“), im Gegensatz zu dem Vielgötterglauben der Indogermanen (Griechen). Die Griechen waren auf das „Sehen“ der Erkenntnis aus: „vidya“ (Sanskrit) = „ide“ (griech.) = „video“ („sehen“, lat.) = „wise, wisdom“ (engl.) = „weise, Wissen“. Im semitischen Kulturkreis spielte dagegen das „Hören“ die entscheidende Rolle. Das Wissen wurde durch Erzählen weitergegeben. Im alten Testament ist das 2. Gebot des Mose das Bilderverbot.

Wogegen im Griechentum ein wechselnder Kampf der Göttergeschlechter oder zwischen Götter und Menschen die Geschicke bestimmen sollten, zeitlos, gab es im Volk Israel das Wirken Gottes in der Geschichte. Am Anfang war die Schöpfung, Vertreibung aus dem Paradies, Sintflut, Gottes Zusage unter dem Regenbogen, die Menschheit nie wieder zu vernichten, die wechselnde Geschichte Israels. In diese Geschichte war Gott einbezogen.

Zu Jesu‘ Zeiten lebte das Volk Israel in der Abhängigkeit. Die Propheten versprachen: „Ein neuer König wird kommen und Israel retten.“

Jesus spürte in sich den Auftrag, die Wahrheit zu verkünden, gegen die Ansichten seiner Zeit. Die Wahrheit ist: „Nicht Zahn um Zahn, sondern liebe deinen Nächsten, auch wenn es dein Feind ist“ und „Gott ist uns nahe, wir dürfen ihn mit ‚Vater‘ ansprechen.“ Das war extrem. Er wurde gefragt, ob er der neue König ist. Zuletzt sagte er „Ja, ich bin ein König. Ich bin gekommen, um die Welt zu retten.“

Christus, wie Jesus bezeichnet wird, wird dann von der entstehenden Kirche und theologischen Auslegungen wieder in die Ferne gerückt, als derjenige, der „richten wird die Lebenden und die Toten“. Das ist keine Person mehr, sondern eine theologische Instanz. Es ergibt sich die Frage des Verhältnisses zwischen Jesus als Person, Christus und Gott. Mit dieser Frage hat sich die Kirche des Mittelalters auseinandergesetzt, unter Berücksichtigung der Überlieferungen der griechischen Philosophie. Der Grundansatz war jedoch, Gott in der Ferne zu sehen, weit über den sündigen Menschen. Im Buch „Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung“ (1924) weißt Rudolf Steiner als Kernaussage mehrfach darauf hin, dass Gott sich im Inneren des Menschen offenbart. Seite 62: „in seinem Inneren sich der Gott nicht bloß abbildet, sondern dass er darin lebt, wesenhaft gegenwärtig ist.“ Seite 64: „In Wahrheit stammt aller Glaubensinhalt aus einer irgendwann einmal gemachten inneren menschlichen Erfahrung.“ In diesem Sinn ist Jesus ein Mensch, der Gott ganz stark in sich gespürt hat. Das ist uns überliefert.

In der Ostergeschichte ist die Rede vom leerem Grab und der leiblichen Begegnung mit dem auferstandenem Jesus. Doch die beiden Frauen, die als erstes am leeren Grab waren, dachten zuerst, sie wären dem Gärtner begegnet. Als Jesus in der Jüngerrunde auftrat, erkannten ihn die Jünger zuerst nicht („Herr, bleibe bei uns, denn es will abend werden“). Ist es nicht so, dass die Ostergeschichte eher vom lebendigem Geist Jesu‘ spricht, nicht unbedingt so sehr direkt von der leiblichen Auferstehung. Letztere ist als Wunder gläubigen Menschen besser vermittelbar als die Wirkung des Geistes. Aber der Geist ist es, das Wesentliche. Die wirkliche Verbindung der Erkenntnisse der griechischen Philosophie und des Denkens, dass auch in den östlichen Religionen da ist, mit den Geschehnissen um Jesus hat die heutige Kirche nicht geschafft.

**** Vishia.de/Leben/SemitischeKultur.html 23.12.2005