Imanuel Kant


In den frühen Jahrhunderten war der Mensch eins mit der Natur, hat sich in ihr und im Vertrauen auf Gott gefühlt. In der Renaissance entdeckte der Mensch sein eigenes Ich. Mit David Hume ist dann der Beginn der Realistik eingeläutet, eine Denke, die uns auch heute prägt. Es ist geradeso wie in der Entwicklung eines Kindes. Im frühen Kindesalter ist man eins mit der Umgebung. Mit 12 bis 15 erwacht das Ich, das selbstbestimmend sein möchte. Doch dann stellt sich eine Zeit der nüchternen Realistik ein.

Etwa ab 1750 bis zur Französischen Revolution gab es die Zeit der Aufklärung. Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Diderot (erste Enzyklopädie), aber auch Lessing und Herder in Deutschland sind bedeutende Vertreter. Der junge Goethe erlebte diese Zeit.

Kennzeichnend für die Aufklärung ist Suche der Wahrheit im „Gesunden Menschenverstand“ „common sense“ „évident“, Aufstand gegen alte Autoritäten, Verbreitung von Wissen, Erkennen der Bedeutung von Erziehung und Pädagogik. Der eigene Wert der Kindheit wurde in dieser Zeit erkannt, zuvor sah man Kinder ‚nur‘ als noch-nicht-Erwachsene. Der Glaube an Gott erschien auch als „vernünftig“ („natürliche Theologie“), andererseits wurde in dieser Zeit nicht nur Alles überkommene, sondern auch die Bibel in Zweifel gestellt. Die Aufklärung mag als positive Antwort auf die Humesche Realistik gelten. Der Mensch befreit sich von seiner Einbettung, findet aber gleichzeitig Neues. Das mag auch im Laufe des Erwachsenwerdens des einzelnen Menschen ähnlich sein.

Carl Phillip Imanuel Kant, 22. April 1724 -1804 lebte in Königsberg. Er war Professor für Philosophie und ein Sachkenner der Philosophie seiner Zeit. Gegensätzliche Strömungen versuchte er in einem System zu vereinigen. Der alte Streit, was ist eher Wirklichkeit: Dasjenige was wir sehen (Empiriker) oder das was wir denken (Rationalisten) wollte er richten. Vor Kant gab es einen irischen Bischof und Philosophen, George Berkeley, 1685-1753. Er sagte: „esse est percipi (vel percipere)“ - „Wirklichkeit ist nur das Wahrgenommene und der Wahrnehmende. Die Wahrnehmungen werden von Gott gesteuert. Eine materielle Welt außerhalb dessen gibt es nicht.“ - Subjektiver Idealist und reiner Empiriker.

Laut Kant gibt es nicht die unverfälschte Wahrnehmung der physischen Welt. Die Wahrnehmung hängt vom Wahrnehmenden ab. So hat beides einen Stellenwert: Wahrnehmung und Denken. Auch das wahrgenommene wird vom Denken geformt, und nur in dieser Form ist es uns bekannt. Es gibt also „Das Ding an sich“ und „Das Ding für uns“. Zur Erkenntnis ist sowohl Wahrnehmung als Denken notwendig, eines ist unzureichend: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind."

Das menschliche Empfinden ist nach Kants Worten mit Raum und Zeit geprägt. „Ob Raum und Zeit in den Dingen an sich existieren, können wir nicht wissen“. Wenn wir heute über einen Urknall spekulieren und meinen, ausrechnen zu können, ob das Weltall ständig expandiert oder pulsiert, dann sollte man daran denken, dass wir von einem Punkt des Weltalls aus in einer kurzen Zeitspanne meinen, auf Jahrmilliarden und entsprechende Lichtjahre Entfernung schauen zu können. Sollte man nicht eher akzeptieren, dass es nur den Anschein der Rotverschiebung der Beobachtungen im Weltall gibt, dass die Wahrheit von hier aus nicht so einfach (oder gar nicht) erkennbar ist. Kant lässt bewusst einen Bereich der Nicht-Erkenntnis zu, im dem er Platz für den Glauben sieht. Er war evangelischer Christ und wollte auch einen Beitrag für den Erhalt der Christlichen Lehre und den Glauben an Gott leisten.

Wenn Raum und Zeit von Kant in Frage gestellt werden, stellt er damit wie Berkeley auch die gesamte physische Welt in Frage? Ich denke, nicht. Er hat diese Eigenschaften nicht verneint, ‚nur‘ kritisch hinterfragt. In der geistigen Welt spielen Raum und Zeit eventuell nicht die Rolle wie in der physischen. Gedanken sind vorhanden, auch wenn sie noch nicht einen physischen Träger gefunden haben. Monismus entgegen Dualismus: Die geistige Welt ist in Form der physischen Welt existent, es gibt nur eine Welt. Ich nehme an, Rudolf Steiner hat Kant ausführlich gelesen, aber seinen erweiterten und wichtigen eigenen Beitrag geleistet. Auch er betont das Wahrnehmen (sinnlich) und das Denken (übersinnliche Erkenntnis).

Nach der Zeit der Aufklärung gab es eine ganz andere Epoche, die Romantik, später Marx, Darwin und Freud als Wegbereiter des reinen Materialismus. Im 20. Jahrhundert, nach Steiner, ist dann der Existenzialismus mit der Betonung von Freiheit aber des eigenen Ichs (entgegen Steiner) eine verbreitete Strömung. Das könnte sich schon lohnen, bis dahin weiter zu reflektieren.

**** Vishia.de/Leben/Kant.html 23.12.2005