Aufbruch nach der Renaissance


Unsere Zeit meint, alles zu können und zu wissen. Die wirklich tiefen Erkenntnisse der Zeiten und Kulturen spiegeln sich jedoch kaum im Bewußten wieder. Nach Höhepunkten gibt es immer wieder eine banale Normalität. Dennoch einen Faden darin zu finden sollte dieser Versuch wert sein. Heute vorherrschendes Gedankengut findet seine Wurzeln in den Erkenntnissen der Vergangenheit, oft unbedacht. Das gilt für Gutes aber auch Fragwürdiges.

Die Renaissance wurde vom Barock abgelöst. Diese Zeit möchte ich als „gesättigt“ bezeichnen. Der Umbruch war vollzogen, die neue Welt war entdeckt. Einerseits sah man die Möglichkeiten des freien Lebens, üppige Gestaltungen, Macht, andererseits aber auch die Begrenztheit des Lebens. So war es nicht untypisch, dass auf Gemälden voll strotzender Lust an einer Ecke ein mahnendes Gerippe gezeigt wurde. Das Theater war typisch für diese Zeit (Shakespeare). Das Leben ist wie auf einer Bühne.

René Descartes (1596-1650) war einer derjenigen, der die Dinge neu ordnen wollte. Nichts von den ‚alten‘ Lehren sollte unbedacht übernommen werden. Alles ist in Frage zu stellen. Was man mit den Sinnen erfassen kann, ist möglicherweise eine Täuschung. Das erste, was seiner Meinung feststeht, ist: „Ich denke - also bin ich.“ Damit ist die Existenz des Ich als Tatsache anzusehen. Das denkende Ich ist wirklicher als die physische mit den Sinnen erfasste Welt. Das zweite, was seiner Meinung feststeht, ist die Tatsache, dass es eine Vollkommenheit gibt. Die Vollkommenheit ist Gott gleichzusetzen. Er sah zwei grundlegende „Substanzen“, das Denken bzw. die Seele, die keinen Platz im Raum einnimmt, und die Ausdehnung bzw. die Materie.

Spinoza Baruch (1632-1677, Niederlande) möchte ich ganz kurz erwähnen. Er war der erste, der die historisch kritische Betrachtungsweise der Bibel angemahnt hat. Er war seiner Zeit weit voraus und fristete letztlich, verlassen von seiner Familie, ein stilles Leben als Linsenschleifer.

David Hume (1711 - 1776, England) hatte wohl Descartes gelesen. Er wollte aber davon ausgehen, was mit den Sinnen erfassbar ist, nicht ‚Hirngespinsten‘ (Erkenntnis im Denken) nachhängen. Es war der gleiche Widerspruch wie zwischen Platon - der eine eigenständige Ideenwelt beschrieben hat, und Aristoteles, dem Beobachter. Hume versuchte grundsätzliche Aussagen über die Natur des Denkens: Es gibt einfache Vorstellungen, die sich unmittelbar nach dem bilden, was von den Sinnen erfasst wurde. Diese hielt er für war. Die beliebige Kombination von einfachen Vorstellungen, die nur im Denken entsteht, kann aber falsch sein: Ein Pferd mit Flügeln, Engel, usw. Die Vorstellung von Gott als strengen aber gerechten Vater entspringe eher den Vorstellungen, die ein Kind von dem Vater hatte, und ist zusammengesetzt.

Die Vorstellung vom eigenen Ich ist nach Hume auch zusammengesetzt: Letztlich gibt es keine wie auch immer geartete Grundpersönlichkeit, sondern nur eine Bündelung verschiedener Bewußtseinsinhalte, die dem momentanen Persönlichkeitszustand zuzuordnen sei.

Hume lehnte die Erkenntnis im reinem Denken ab, entgegen Descartes, der klare und deutliche Vorstellungen als eine Garantie für die Wahrheit hielt. Die Vorstellung von der Vollkommenheit ist eine solche klare. Die Vorstellung von Gott lehnte Hume zwar nicht ab, seiner Zeit gemäß, aber man könne ihn nicht beweisen, sondern eben nur glauben. Damit löste er die allerletzte Verbindung von Glaube und Wissen auf.

Kann man Erkenntnis im reinen Denken erlangen? Für Hume war auch der ‚Naturrechtsgedanke‘, die Tatsache, dass es eine der Vernunft innewohnende menschliche Moral gibt, die das Töten verbietet und die Achtung der Menschen untereinander gebietet, nicht gegeben. Seiner Meinung nach entspringt dies der Gefühlswelt. Nur diese gebietet uns, jemanden nicht einfach totzuschlagen zugunsten des eigenen Vorteils. Die ‚Vernunft‘ gebiete eher, ihn totzuschlagen, wenn es von Vorteil ist.

Weshalb ich den Hume aufgegriffen habe: Er hat wohl als erster deutlichst Glaube und Wissen getrennt, so wie es heute meistenteils gesehen wird. Glaube ist dann nur noch Farce, oder Trost, oder je nachdem. Vernunft ist identisch mit Vorteil.

Das Vernunft identisch ist mit dem Vorteil aller, eine Handlung dann gut ist, wenn sie unabhängig vom Individuum im allgemeinen gut ist, diesen Gedanken hat als erster deutlich Imanuel Kant später formuliert (um 1800, „Kritik der praktischen Vernunft“). Aber diese Ansicht ist noch Stückwerk, nicht Allgemeingut.

**** Vishia.de/Leben/Hume.html 23.12.2005