Die folgenden Ausführungen basieren teilweise auf dem Inhalt des Buches "C. Markschies: Die Gnosis, Verlag C. H. Beck, ISBN 3-406-44773-2", nachfolgend mit /Gnosis-1/ bezeichnet. In diesem Buch wird der Begriff Gnosis im Zusammenhang Gnosis-Manichäismus benutzt. In diesem Artikel wird versucht, darauf zu reflektieren. Doch Gnosis könnte auch wesentlich mehr bedeuten.
Der Kontext ist die Zeit nach Jesus Christus wirken. Die Geschehnisse um Golgatha, die Geschichte der Auferstehung, Himmelfahrt wurde erzählt. Es musste damals schon etwas besonderes passiert sein, das war kein internes Erlebnis der kleinen Schar der Jünger und Frauen um Jesus. Möglich ist, dass es um die Todesstunde in Golgatha ein Unwetter oder Erdbeben gab. Es waren mündliche Überlieferungen. Warum nicht aufgeschrieben?
Es gab damals kein Internet. Dass die meisten Leute des Schreibens und Lesens unkundig waren, trifft eher nicht zu. Aber Papier musste man mühevoll aus Tierhäuten oder Papyruspflanzen herstellen. Wenn es keine gute Qualität hatte, dann hielt es auch nicht lange. Wozu aufschreiben? Die mündliche Überlieferung war gängige Praxis. Abgesehen davon, dass der gesamte semitische Kulturkreis auf mündliche Weitergabe orientiert war.
Irgendwann hat irgendwer etwas aufgeschrieben. Des Aufschreibens würdig waren am ehesten Briefe, um sie von jemanden anderem transportieren und überbringen zu könnten. Da genügte auch eine mindere Papierqualität. Aufgeschrieben wurde auch in Philosophenschulen, antiken Klöstern. Die dort aufschrieben waren oft welche, die übersetzten, zusammenfassten, abschrieben, nicht diejenigen, die das Wissen ursprünglich hatten. Daher erklärt es sich, dass die Evangelien und andere Schriften erst lange nach Jesus' Wirken aufgeschrieben wurden und in unterschiedlichen Fassungen vorliegen.
Zu dieser Zeit gab es, wie auch heute, eine breite Interpretation der Welt und Gottes, verschiedene Gruppen mit verschiedenen Denkweise und Haltungen. Auf diese Gruppen traf die Nachricht von Jesus Christus.
Da war beispielsweise in Samarien ein Magier namens Simon. Dem liefen die Leute weg, und hörten sich lieber die Geschichte und die Lehren von Jesus Christus an, die einer der Jünger, Philippus (er war sicherlich nicht ganz allein dort), verbreitete. Er ließ sich daher besser selbst taufen und machte bei Jesus mit. Diese Geschichte ist in der Bibel in der Apostergeschichte Apg 8,9 erwähnt. Weiter wird nichts in der Bibel vom Magier Simon berichtet. Aber der Bischof Irenäus aus Lyon nimmt gegen 180 bis 185 n.Chr. in seiner Kritik an falschen Lehren ("Adversus Haereses", Wiederlegung I. 31,3) bezug auf diesen Magier Simon aus Flavier Neapolis in Samaria, er sei die Quelle und Wurzel der falschen Lehren ( nach /Gnosis-1/, S. 36 und S. 74, 75).
In Alexandria gab es etwa um das Jahr 130 einen sich christlich nennenden Lehrer, Basilides. Er verfasste eine Rezension des Lukas-Evangeliums mit anschließendem relativ freiem Kommentar in 24 Bänden (nach /Gnosis-1/, S. 81). Auch in Antiochia in Syrien gab es etwa zur gleichen Zeit einen Gelehrten mit Namen Saturninus oder Satornil, der sich der Lehren von Jesus dem Christus annahm und sie in ein eigenes System verpackte.
Marcion stammte aus Sinope am Schwarzen Meer und war dort Schiffsreeder oder Überseehändler. Er schloß sich um das Jahr 140 n.Chr. der stadtrömischen Christengemeinde an und brachte eine nicht unbedeutende Geldsumme in die gemeinsame Kasse ein. Knapp vier Jahre später warf ihn die Gemeinde wegen seiner Theologie heraus und zahlte ihm die gestiftete Summe wieder zurück. Daraufhin begann Marcion mit einer intensiven Missionstägigkeit. (wörtlich aus /Gnosis-1/, S. 86, 87).
Zu erwähnen sind mindestens noch Valentin und die Valentinianer, etwa 140 bis 180 n.Chr. in Rom. Valentinus war ein angesehener christlicher Lehrer, der wie Justin der Märtyrer während der Jahrhundertmitte in Rom lehrte. (/Gnosis-1/, S. 89). Er ging gegen 160 nach Zypern. So konnte er sich gegen die Ansichten, die christliche Lehrer in seinem Namen und uner dem Schutz der Autorität eines geachteten stadtrömichsen Theologen verbreiteten, nicht mehr zur Wehr setzen. (wörtlich nach /Gnosis-1/, S. 89). Die sogenannten Valentianer entwickelten ein eigenes System.
Zumeist sind nur wenige originale Veröffentlichungen dieser genannten Personen und Gruppen erhalten geblieben. Der oben genannte Bischof Irenäus aus Lyon erwähnt alle diese in seiner Wiederlegung, dort aber mit Anschuldigungen und Darstellungen, die zeigen sollen, wie falsch die Lehren sind. Die Darstellungen des Irenäus sind aber teilweise überzogen und falsch, teilweise nicht nachprüfbar (weitere Informationen in /Gnosis-1/ S. 84).
Es zeigt sich, dass die Kunde von Jesus Christus einerseits von den Nachfolgern der Jünger verbreitet wurde, und in diesen Kreisen auf Authenzität geachtet wurde, andererseits diese Geschichte aber auch von Anderen aufgenommen wurde, die nicht dieser Tradition zugehörten, als Bereicherung der eigenen Lehren, selbst interpretiert, ausgelegt. Irenäus war offensichtlich ein Vertreter der offiziellen Nachfolge und bekämpfte die anderen Lehren, teils in überzogenem Maße, eine andere Interpretation nicht zulassend.
Es gibt ein typisches Denkmuster, dass auf der griechischen Philosophie seit Platon fußt und den Gott des jüdischen Kanons (altes Testatment) mit einbezieht. Dieses Denkmuster ist - entsprechend der vorherrschenden Philosophie der Zeit - bei vielen Vertretern der Gnosis zu finden:
Der oberste Gott ist ideal. Er ist das Urprinzip aller Prinzipien, der erste unbewegte Beweger.
Der Gott des alten Testamentes schuf in sieben Tagen die Welt und formte aus Lehm Menschen. Schon bei Platon findet sich der Ausdruck "Demiurg" , bedeutet Schöpfer, Handwerker. Es kann doch nicht sein, dass ein oberster Gott arbeitet wie die Sklaven! Zudem ist die Welt sichtlich böse.
Demzufolge ist der Gott des alten Testamentes der Demiurg, und nicht der oberste Gott. Die Schöpfung ist unvollständig in dem Sinn, dass Böses erzeugt wurde. Deshalb ist die Welt grundsätzlich böse. Die Christusgestalt wiederum wird überhöht, sie verkündet vom eigentlichen obersten Gott und stellt die Verbindung mit diesem an sich unbekanntem Gott her.
Diese Ansicht durchzieht mehr oder weniger viele Lehrer, die der Gnosis zugeordnet werden können. Als Höhepunkt dieser Lehren kann der Manichäsimus angesehen werden. Der Perser Mani (=>Wikipedia) gründete diese Religionsausprägung im 3. Jahrhundert nach Christus. Er versuchte eine große Religionssynthese unter Einbeziehung persicher und indischer Traditionen. Die Vorstellungen und Regeln sind sehr komplex, das Verbot des Zerschneidens von Pflanzen einbezogen. Die Nahrung für die Auserwählten, zwölf Lehrer, zweiundsiebzig Bischöfe und dreihundertsechzig Presbyter wurde daher von den sogenannten Hörern zubereitet. Augustinus von Hippo, der große Kirchenvater des fünften Jahrhundert, gehörte zuvor etwa 10 Jahre als Hörer zu den Manichäern.
www.vishia.de/Leben/Gnosis_Markschies.html, 2007-04-11 ****